Machen wir uns als Sanitäter auf den Weg zu einem Notfall, dann muss es häufig sehr schnell gehen. Manchmal muss selbst auf einem Sanitätsdienst ein Patient schnell an anderer Stelle versorgt werden oder ins Krankenhaus zur weiteren Behandlung gebracht werden.
Dabei befinden wir uns in der Rolle derer, die helfen sollen. Manchmal kann es aber auch dazu kommen, dass der Rettungswagen in einen Unfall verwickelt wird: Sei es, dass wir die Situation falsch eingeschätzt haben und unsere Fertigkeiten überschätzt haben oder ein anderer Verkehrsteilnehmer uns übersehen hat und mit uns kollidiert ist.
Dieser Beitrag möchte darstellen, wie wir uns in solchen Situationen verhalten sollten und was dabei alles zu beachten ist.
Als Beispiel soll uns folgender aktueller (tatsächlich geschehener) Fall dienen:
Auf einer durch abgestellte Mülltonnen verengten Straße treffen ein Rettungsfahrzeug und eine Kolonne Motorradfahrer aufeinander. Aufgrund der am Fahrbahnrand abgestellten Mülltonne befuhr das Rettungsfahrzeug teilweise die Gegenfahrbahn und ließ den entgegenkommenden Motorradfahrern auf der relativ engen Straße nur noch wenig Platz. Es kam wie es kommen musste: Ein 53-jähriger Biker wich dem Rettungsfahrzeug aus, geriet auf das rechte Straßenbankett und prallte im weiteren Verlauf gegen eine Leitplanke. Der Fahrer des Krankenwagens fuhr nach dem Unfall einfach weiter.
Grundsätzlich gilt für jedes Rettungsfahrzeug (und andere Verkehrsteilnehmer auch) der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Ich muss meine Fahrweise also den konkreten Gegebenheiten anpassen – also der Witterung, den Sichtverhältnissen und den Straßenverhältnissen entsprechend. Selbst wenn die Besatzung Sonderrechte in Anspruch genommen haben sollte – was aus der Zeitungsmeldung nicht eindeutig hervorgeht – muss der Fahrer auf die Straßenverhältnisse Rücksicht nehmen und seine Fahrweise anpassen.
Die Frage, die sich nun stellt lautet natürlich, ob der Fahrer des Rettungsfahrzeuges die Fahrt zum Einsatzort fortsetzen durfte oder nicht? – Die Beantwortung dieser Frage hängt von einigen Faktoren ab:
Die Alarmfahrt darf fortgesetzt werden, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr für Menschen, Tieren, Sachen von bedeutendem Wert oder der Umwelt erforderlich ist, also ein Warten zu einer nicht hinnehmbaren Verzögerung führen würde. Die Versorgung von Verletzten und die Erste Hilfe in jedem Fall sichergestellt werden kann und die Leitstelle über Funk vom Unfall in Kenntnis gesetzt worden ist und diese anschließend die Polizei informiert hat.
Die Weiterfahrt kann also unter bestimmten Voraussetzungen gerechtfertigt sein.
Als Grundregel kann gelten:
Je dringender der Einsatz und je leichter der Unfall, desto eher ist die Weiterfahrt gerechtfertigt. Bei folgenschweren Unfällen, insbesondere bei erheblichen Personenschäden, darf nur bei besonders schwerwiegenden Gründen die Fahrt fortgesetzt werden.
Zu beachten ist aber, dass die erforderlichen Feststellungen gegenüber der Polizei nachträglich unverzüglich nach § 142 Abs. 3 StGB zu ermöglichen sind. Danach muss die Unfallbeteiligung und die sonstigen Personen- und Unfalldaten preisgegeben werden.
Im obigen Beispielsfall trug der Fahrer des Rettungsfahrzeuges vor, dass er gar nicht mitbekommen habe, dass es zu einem Unfall gekommen war. Der Vorwurf lautete daher, dass der Fahrer beim Ausweichen das Tempo nicht reduziert habe, um auf möglichen Gegenverkehr reagieren zu können. Weil der Sanitäter bereits Voreinträge im Verkehrszentralregister hatte, kam für den Richter keine Verfahrens-Einstellung mehr in Frage und verurteilte ihn zu 1400 Euro Geldstrafe.