Auch die Gerichte haben sich durchaus mit Karneval und den damit zusammenhängenden Bräuchen zu beschäftigen. Zwar waren an den entschiedenen Fällen vorrangig keine Sanitäter beteiligt, trotzdem kann die eine oder andere Entscheidung für uns von Relevanz sein.
Das Kostüm sitzt, die Unterlagen für die Arbeit sind gepackt und schon geht’s ans Steuer in Richtung Arbeit. Doch halt, ist eine Kostümierung hinter dem Steuer überhaupt zulässig? Kann der Gorilla hinter dem Steuer auf dem Blitzerfoto identifiziert werden? – Eine Kostümierung ist durchaus zulässig, solange die Sicherheit des Straßenverkehrs nach § 23 StVO nicht gefährdet wird. Konkret bedeutet dies, dass beispielsweise Masken die Sicht nicht beeinträchtigen dürfen und eine eventuelle Augenklappe für das perfekte Piratenkostüm erst auf der Arbeit aufgesetzt werden sollten.
Auf dem Weg zur Arbeit fällt mir ein, dass der Chef irgendwas von wichtigem Meeting und angemessener Kleidung am Vortag gesagt hatte. Aber das konnte er ja wohl nicht ernst nehmen. An diesen Tagen besteht doch fast eine „Pflicht“ zur Kostümierung. – Soweit gehen die gesetzlichen Regelungen leider nicht. Der Arbeitgeber kann aufgrund seines umfassenden Direktionsrechts sowohl Dienstkleidung vorschreiben als auch bestimmte Kleidung verbieten.
Mittlerweile bin ich kostümiert am Arbeitsplatz angekommen, da empfängt mich die sympathische Kollegin schon im Lady Gaga-Kostüm und einer Flasche Sekt. Es sei ja wohl absolut üblich, dass an Karneval Alkohol konsumiert werde, dies könne uns der Chef nicht verbieten. – Allgemein lässt sich sagen, dass durch den Alkoholkonsum die Sicherheit und Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz nicht beeinträchtigt werden darf. Ich brauche daher wohl nicht groß zu erwähnen, dass gerade für uns Sanitäter ein absolutes Alkoholverbot sowohl im Sanitätsdienst als auch auf der normalen Wache gilt. Zwar ist eine Kommunikation auf einer Ebene mit dem Patienten sinnvoll, jedoch darf dies nicht bedeuten, sich einen entsprechenden Pegel anzutrinken.
Alle sind verkleidet auf der Arbeit angekommen, die Stimmung ist gut und nur der Chef hat sich als Streber im Anzug verkleidet. Dem muss Abhilfe geschaffen werden, indem ich ihm die Krawatte um die Hälfte kürze. Auch ein solches Verhalten sollte besser unterlassen werden, denn es drohen Schadensersatzansprüche, die auch tatsächlich von Gerichten schon zugesprochen wurden. Im konkret entschiedenen Fall wurde einem Kunden eines Reisebüros von einem Mitarbeiter die Krawatte abgeschnitten. Dieser siegte vor Gericht und bekam Schadensersatz zugesprochen. Von einer generellen Einwilligung könne – selbst in Karnevalshochburgen – nicht ausgegangen werden.
Die Stimmung steigt und steigt, es entstehen mehr und mehr unterhaltsame Fotos. Der Chef eng umschlungen von einer Banane und einem Gorilla, der Kollege, der sonst immer so spießig ist, hat sich mittlerweile schon zur Hälfte ausgezogen und die Personalchefin hat die Bowlen-Schüssel auf Ihrem Kopf zu ihrem Eigentum erklärt. Da entstehen schnell sehr viele Fotos, die natürlich unbegrenzt in sozialen Netzwerken hochgeladen werden dürfen, oder? – So einfach ist dies nicht, denn Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten veröffentlicht werden. Eine solche Einwilligung wird ein Patient oder angetrunkener Kollege im Zweifel nicht erteilt haben.
Mittlerweile wurde die Feier nach draußen verlegt, denn nur dort kann der Festumzug bestaunt werden und die vielleicht das ein oder andere Bonbon gefangen werden. Leider landen nicht alle Bonbons in den Händen oder auf dem Boden, sondern auch an den Köpfen oder sonstigen Körperteilen der Kollegen. Sofort überlegt der Praktikant der Rechtsabteilung, ob damit nicht seine Gelegenheit gekommen ist, zu klagen. – Klagen auf Schadensersatz wurden bisher meist abgelehnt, denn wer sich bei einem Umzug in Wurfweite aufhält, muss damit rechnen, getroffen und unter Umständen verletzt zu werden. Durch sein Verhalten willigt der Patient in dieses Verletzungsrisiko ein. Nach einem Urteil des LG Trier gilt das selbst dann, wenn der Patient durch ein Wurfgeschoss einen Zahn verliert. Auch wenn man von einer ganzen Pralinenschachtel getroffen wird, gibt es nach dem AG Aachen kein Schadensersatz.
Die Feier ist vorbei, irgendwie bin ich mit einem Taxi nach Hause gekommen. Ich wache nach viel zu wenig Schlaf völlig verkatert auf und überlege, mich direkt wieder umzudrehen, denn unter diesen Umständen kann ja niemand richtig produktiv sein. Das geht nicht? – Doch, ein solches Vorgehen ist durchaus zulässig. Im Arbeitsrecht gilt der Grundsatz krank ist krank, auch, wenn die „Krankheit“ nur in der Folge einer wilden Feier besteht. Kopfschmerzen und Übelkeit sind zwar vorhersehbar, trotzdem geht die Rechtsprechung davon aus, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit nicht selbst verschuldet hat.