Seit meinem ersten Dienstabend (hier zu lesen) sind nun Monate vergangen. Beliebte Sandienste bei uns sind Bombenräumungen. Einerseits geschehen sie oft, bringen der HIORG Geld und machen Spaß. Die Anfrage kam zwei Wochen vorher. Anfragen sind etwas Nettes. Nie gleich angekündigt und immer dringend. Man wird online oder beim Dienstabend gefragt, ob man helfen möchte. Auf der anderen Seite gibt es die spontanen Aktionen, die über das Handy oder wenn man den klassischen Pieper hat, alarmiert werden.
Nun war einem Baggerfahrer zum Glück aufgefallen, bevor er mit seiner Schaufel die Fliegerbombe zündet, dass da was ist. Einfach gesagt: Da die Bombe in einem Wohnviertel lag, kommt der KMR und zieht einen Kreis. Wer dort drin wohnt, muss evakuiert werden. Natürlich auch ältere und vor allem kranke Menschen.
Ich hatte schon meine persönliche Schutzausrüstung bekommen. Bis auf die Einsatzstiefel, sodass ich meine Sportschuhe anziehen sollte. „Christopher, sei in Klamotten einfach um 8 an der Fahrzeughalle.“ Früh morgens in die Klamotten und auf zur Halle. Meine Tasche mit Trinken und Essen gepackt. Natürlich auch ein kleines Entertainmentpaket, denn man wird ja auch Pause haben. An der Wache kam die Kolonne von BTWs (das sind bei uns Transits mit mehr oder weniger Sitzbänken und mehr oder weniger Rollstuhlplätzen). Des Weiteren waren auch unser KTW und der RTW fahrbereit. Ich wurde auf einem der BTWs eingeteilt. Mit mir eine FSJlerin, die den Wagen fahren und führen durfte. Motiviert und ein bisschen nervös ging es los zur Schule. Dort musste ordentlich geparkt werden. Jeder mit Abstand zum anderen und in Fahrtrichtung zur Straße. Zwischen den Autos genug Platz zum Aussteigen. Man traf die andern Organisationen. Man half dem DRK beim Betten aufbauen und dann ging es zur Begrüßung. Die Einsatzleitung erklärte nur sehr wenig. Im Endeffekt hieß es, dass 4 Tausend Menschen raus müssten, bisher wenig anstehen würde und der Rest sollte wie immer laufen. Wie immer laufen, na mal sehen. Meine Fahrerin gab die Handynummer bei der Einsatzleitung ab und wir warteten.
Ich hatte mir den gerade zu dieser frühen Stunde wichtigen Kaffee besorgt. Ein kleines Plastik Tässchen mit bräunlichem Inhalt. Dann auf einmal ging es los. Nacheinander wurden wir ins Sekretariat gerufen und bekamen unsere Papierzettel in die Hand. Das sind Patientenkarten wurde mir gesagt. Privat wusste ich schon was das war und wie man sie benutzt. Wir gingen zu unserem BTW und beim Einsteigen rutsche mir die Hand an der Tür weg und ZACK. Weiß ist eine bescheuerte Farbe. Mitten auf dem Pulli ein riesen Fleck Kaffee. Nachdem hektischem Umsehen und den Wechsel auf das Einsatz-T-Shirt, was auch einen kunstvollen Fleck hatte, wurde ich zur Eile zitiert. Mensch war das peinlich. Also obwohl es warm war, hab ich zur besseren Ansehnlichkeit die Jacke angelassen und umso kompetent zu wirken.
Ich kannte die Umgebung und so konnten wir unsere Aufträge anfahren. Bei jeder Adresse wurden wir überrascht, denn weder die Anzahl der Mitfahrenden noch ihre Fahrgeräte waren korrekt mitgeteilt worden. Somit mussten wir schon einiges um planen. Natürlich wurden die Änderungen ordentlich dokumentiert. Oftmals standen die älteren Frauen und Männer schon an der Straße mit den Gruppen der Feuerwehr oder des THWs.
Die wenigen Fahrten waren schnell vorbei und man traf sich im Lehrerzimmer. Zum Glück war mein Kaffeefleck nicht so aufgefallen. Ganz entspannt, Handy spielend, etwas von den coolen Lunchpaketen essend und sich unterhalten. Die erste Stunde verging sehr schnell. Doch dann fehlten neue Themen. Es war Samstagmorgen und kaum einer war online. Die Zeit begann schon langsamer zu verstreichen. Der Liveticker war auch nicht hilfreich. Nach dem zehnten Aufrufen wurde ich gesperrt und jemand anderes musste den Stand verfolgen. Es gab Komplikationen, denn an ein Waldgebiet hatte keiner gedacht. Bis der Heli aus Hildesheim hier und aufgetankt war dauerte es. Mein Essen war leer. Ich versuchte es mir auf dem Sofa irgendwie bequem zu machen und weiter zu warten. Ein Sandienst ist nicht immer nur 100 % der Zeit Action, sondern auch mal langwierig, wie Andreas es beschreibt.
Irgendwann war der Heli Kontrolle geflogen, der Sprengmeister hatte ein neues Spielzeug auf dem Anhänger und den angeblich zu hörenden Knall, mussten wir alle überhört haben. Wir konnten mit den Rückfahrten beginnen. Von den Fahrten, die wir auf dem Hinweg hatten, bekamen wir nun andere zugewiesen. Im Aufenthaltsraum suchten wir unsere Fahrgäste oft vergeblich. Ja das passiert schon mal, dass Verwandte sie einfach wieder mitnehmen, war die Erklärung. Nachdem wir die Letzten weggebrachten hatten, wurden wir von einem anderen BTW zur Fahrzeughalle und damit zum Ende des Sanitätseinsatzes beordert. Was ich von diesem Einsatz gelernt habe ist: Die Einsatzjacke schützt vor allem Möglichen, was einem im Einsatz widerfahren kann. Auch gegen Regen, Blut oder auch gegen den eigenen Kaffee.
Da die Bombenräumung eher einem Fahrdienst glich, freute ich mich auf meinen richtigen ersten Sandienst. Knapp ein dreiviertel Jahr war ich jetzt schon dabei. Ich war fast jeden Donnerstag an der Fahrzeughalle, lernte viel und hatte Spaß mit den Anderen. Ich durfte endlich meine erste medizinische Ausbildung machen. Ich war mitten im Einsatzsanitäter, da wurde gefragt wer einen Sandienst übernehmen kann. Ich wurde auserwählt. Mit einem schon erfahren Rettungshelfer ging es auf eine Messe.
Also wieder die PSA angelegt und diesmal sogar mit Einsatzstiefeln. Der erste Dienst, wo ich diese anziehen würde. Ich kam wieder morgens um 8 an einem Samstag zur Halle. Der RTW stand draußen und bereit, dass ich meine Erkenntnisse und Lernfortschritte praktisch ausprobieren konnte. Die Fahrt unterhielten wir uns über den Lehrgang und die Einsätze, die er schon hatte. Vor Ort angekommen wurden wir vom Leiter begrüßt und konnten unseren RTW abstellen. Danach ging man erst mal frühstücken. Unsere Handynummern gaben wir an der Info ab und schlenderten über die Messe und machten uns mit der Umgebung vertraut. Es war schon besonders mit den Einsatzstiefel länger zu gehen oder zu trampeln. Vielleicht deswegen oder wegen unserer Einsatzkleidung wurde gerne für uns Platz gemacht. Nach der Runde gingen wir zum RTW. Da bekam ich eine Privatschulung. Wir nahmen jede Schublade aus einander, sprachen über Bedienung und wie man etwas wann benötigt. Ich versuchte mir die Orte oder wenigstens für mich wichtige Dinge zu merken, die Bedienung des RTWs war mir aber klar. Die große Erkenntnis war, dass musste ich öfter machen. Nur alle paar Wochen auf einem Sandienst eben den RTW durchzusehen reicht definitiv nicht aus. Die Trage probierte ich praktisch am Längsten aus. Rausfahren und sichern, bewegen hoch runter und immer dran denken aus den Knien zu heben. Gurtschnallen befestigen, kippen, um die Kurve fahren und wieder sicher in den RTW verfrachten. Nochmal raus das Ganze von vorne und wiederholen. Es war spannend und die Übung zeigt Erfolge, so verging die Zeit ziemlich schnell.
Wir drehten weitere Runden und wurden dann zum ersten Einsatz gerufen. Ein Junge stand mit hochgezogen Hosenbein mit seiner Aufsichtsperson vor der Info. Sein Schienbein war blutig. Er sei hingefallen. Da wir vorher nicht am Fahrzeug waren, hatten wir nichts an Verbandmaterial dabei. So gingen wir mit dem Beiden zum RTW. Dort desinfizierte ich die Wunde, klebte ordentlich, wie ich es gelernt hatte, einen zurechtgeschnittenen Wundschnellverband. Das war nun das Highlight. Die erste Hilfeleistung des Tages und meine erste offizielle. Der Rest des Sandienstes verging schnell und mit weiteren Ausprobieren, auswendig lernen der Schubladen und weitere Runden über die Messe.
Auf der Rückfahrt war mir klar, dass ich definitiv mehr mit dem Fahrzeug mich auseinander setzen muss und ebenfalls die Aufteilung mir öfter anschauen sollte. Auch wenn es ein Ehrenamt ist und ich nicht die ganze Zeit auf dem RTW verbringe, muss ich diesen zu mindestens grundlegend kennen und benutzen können. Dafür bietet es sich an schnell den nächsten Sandienst anzutreten!