Alarm im Ramadan

Noch bis zum 05.07.2016 begehen gläubige Muslime zurzeit den Ramadan. Zu den Pflichten eines Muslims im Ramadan gehört auch das Fasten.

Der Verzicht auf Nahrungsmittel und Getränke kann jedoch auch zu ernsten gesundheitlichen Problemen führen. Insbesondere vielen Flüchtlingen setzt das Fasten, auf Grund verschiedener Faktoren, stark zu.

Mit der besonderen Situation eines Notfalls im Zusammenhang mit dem Fastenmonat beschäftigt sich der heutige Artikel.

Zunächst einmal ist es wichtig, die grundliegende Bedeutung des Ramadan zu verstehen.

Als eine der fünf Säulen des Islams kommt dem Fasten im Ramadan eine besondere Bedeutung zu.

Der Ramadan ist der neunte Monat im islamischen Kalender. Er dauert 29 oder 30 Tage und verschiebt sich (auf Grund der unterschiedlichen Kalendersysteme) jedes Jahr um bis zu 11Tage nach vorne. Dieses Jahr war der Beginn am 06.06.2016. Grob übersetzt bedeutete „Ramadan“ so viel wie Hitze oder Trockenheit. Für den Ursprung dieses Namens gibt es zwei Erklärungsansätze. Zum einen wird es auf das während des Fastens entstehende Durstgefühl bezogen, zum anderen wird es metaphorisch für das „Ausbrennen der Sünden“ gesehen.

Dies weist auch auf den zentralen Aspekt des Ramadan hin: Die besondere Nähe zu Gott. Durch den Verzicht auf irdische Güter sollen sich die Gläubigen mehr ihrem Gott zuwenden. Außerdem dient das Fasten der Erprobung der Selbstdisziplin. Ferner sollen Fastende mit einem Sündenerlass belohnt werden.

Während des Ramadan wird von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang gefastet. Das bedeutet, dass weder Speisen, noch Getränke zu sich genommen werden. Aber auch auf Beischlaf soll während des Ramadan verzichtet werden. Ferner sollen Muslime in dieser Zeit besonders von Sünden Abstand nehmen.

Aus notfallmedizinischer Sicht ist jedoch primär der Aspekt des Fastens von Interesse.

Beim Fasten im Ramadan verzichten gläubige Muslime, wie bereits dargestellt, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang auf Nahrung und Getränke. Vor Sonnenaufgang gibt es, natürlich abhängig vom jeweiligen Kulturkreis und individuellen Gewohnheiten und Vorlieben, häufig eine leichte Mahlzeit, oft mit Reis oder Früchten. Nach Sonnenuntergang beginnt das Essen mit dem rituellen Fastenbrechen: Hier werden in der Regel zunächst Datteln oder Wasser gereicht. Anschließend erfolgt die Hauptmahlzeit. Hier können die Gerichte sehr unterschiedlich ausfallen. Während in einigen Familien auch hier eher leichte Speisen gereicht werden, können diese Mahlzeiten in anderen Familien sehr reichhaltig ausfallen und auch Süßspeisen umfassen.

Zum Teil leider auch bei Muslimen nicht allgemein bekannt sind allerdings die Ausnahmeregelungen: Nicht jeder Muslim muss (durchgängig) Fasten, gerade um gesundheitliche Probleme zu vermeiden. Dabei sind diese Ausnahmen auch ein Ausdruck des islamischen Körperverständnisses, welches den Körper als eine Leihgabe Gottes betrachtet. Dementsprechend hat jeder Muslim die Pflicht, seinen Körper und seine Gesundheit zu schützen.

Aus diesem Grund sind Jugendliche auch erst ab der Pubertät verpflichtet, vollständig am Fasten teilzunehmen. Bis dahin sind sie lediglich angehalten, so lange zu fasten, wie es ihnen persönlich zumutbar ist. Ebenfalls von der Fastenpflicht ausgenommen sind Personen, die auf Grund von Alter oder Krankheit gesundheitlich nicht dazu in der Lage sind. Auch schwangere, stillende oder menstruierende Frauen sind für die Dauer ihrer Einschränkung von der Fastenpflicht ausgenommen. Wer nur vorübergehend am Fasten gehindert ist, kann die versäumten Fastentage nachholen. Bei chronischen Krankheiten oder hohem Alter soll für jeden nicht wahrgenommenen Fastentag ein Bedürftiger gespeist werden.

Besonders gefährdet sind momentan besonders Flüchtlinge: Zu einem zum Teil ohnehin schon „angeschlagenen“ Gesundheitszustand kommt hier eine Veränderung der Tageszeiten hinzu, weshalb das Fasten dem Körper besonders zusetzen kann.

Doch selbst wenn man nicht in eine der genannten Personengruppen fällt, kann das Fasten zu (akuten) gesundheitlichen Problemen führen, die eine notfallmedizinische Behandlung erfordern.

Diese Probleme müssen natürlich zunächst erkannt werden. Daher bietet es sich während der Zeit des Ramadan an, nach der der Teilnahme am Fasten zu fragen (Stichwort SAMPLERS, Letzte…).

Aber welche Notfälle sind in diesem Kontext überhaupt denkbar? Zunächst fallen einem natürlich glykämische Notfälle ein. Von daher ist natürlich ein Blutzuckertest durchzuführen. Zunächst ist  natürlich eine Hypoglykämie denkbar, also ein BZ-Wert von < 50 mg/dl. Durch das Fasten besonders gefährdet sind hier logischerweise Diabetiker, wenn sie ihre Insulingabe nicht an die geänderte Nahrungsaufnahme anpassen. Diabetiker können aber auch von einer Hyperglykämie, also einem Wert von > 120 mg/dl betroffen sein, insbesondere, wenn gegen Abend größere Mengen zuckerhaltiger Nahrung als gewöhnlich verzehrt werden.

Auch „Kreislaufbeschwerden“ können eine Folge des Fastens sein, entweder als Symptom einer glykämischen Störung, oder auch als Folge von Füssigkeitsmangel. Insbesondere bei besonders jungen und älteren Patienten ist darauf zu achten. Schlimmstenfalls ist mit einem hypovolämischen Schock (absoluter Voumenmangelschock) zu rechnen.

Bedingt durch den Flüssigkeitsmangel steigt natürlich auch die Gefahr für hypothermische Notfälle wie zum Beispiel Hitzeerschöpfung oder Hitzesynkope.

Bei der Behandlung entsprechender Patienten ist es unerlässlich, die Entscheidug des Patienten, zu fasten, so hinzunehmen. Wichtig bei der Behandlung der Patienten ist es, Maßnahmen genau zu erklären! So ist es zum Beispiel denkbar, dass eine Infusion abgelehnt wird, um ein Fastenbrechen zu vermeiden. Hier ist es wichtig, den Patienten ruhig aufzuklären und gegebenenfalls auf die bestehenden Ausnahmeregelungen hinzuweisen. Falls die Situation es zulässt, kann eventuell auch ein Imam konsultiert werden.

Wer sich vertiefend mit der besonderen Situation von unterschiedlichen Kulturen beschäftigen möchte, dem sei das an Fallbeispielen orientierte Buch „Patienten aus fremden Kulturen im Notarzt- und Rettungsdienst – Fallbeispiele und Praxistipps“ von Dr. phil. Carl Machado, erschienen im Springer-Verlag, empfohlen. Dank übersichtlichem Aufbau und gelungener Schwerpunktsetzung auf die zwischenmenschlichen Aspekte ist dieses Buch auch für Sanitätspersonal ohne Rettungsdiensterfahrung als Lektüre geeignet.

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